Altern im Zeitraffer: Biallelische POLR3A-Mutationen verursachen neonatales Progerie-Syndrom
Unter maßgeblicher Beteiligung von Forschern des Instituts für Humangenetik Göttingen konnte eine internationale Kollaboration spezifische Mutationen des POLR3A-Gens als Ursache für das Wiedemann-Rautenstrauch-Syndrom ermitteln. Dabei handelt es sich um ein ganz besonderes Syndrom, da es mit Zeichen einer beschleunigten Alterung einhergeht – eine so genannte progeroide Erkrankung. Bereits mit der Geburt zeigen die betroffenen Kinder charakteristische Symptome wie Wachstumsverzögerung, schütteres Haar, Fettverteilungsstörungen und auffällige Gesichtszüge. Sie wirken damit wie vorzeitig gealtert.
Das vom POLR3A-Gen kodierte Protein bildet die größte Komponente des RNA-Polymerase-III-Komplexes. Dieses Enzym ist wesentlich an der Synthese von RNA bei der Transkription beteiligt. Insbesondere sorgt die RNA Polymerase III für die Synthese bestimmter Formen der RNA einschließlich ribosomaler RNA (rRNA) und Transfer-RNA (tRNA). In ihrer aktuellen, im Journal of Medical Genetics veröffentlichten Studie entdeckten die Wissenschaftler biallelische Mutationen des POLR3A-Gens in acht betroffenen Familien. Die Art der gefundenen, spezifischen Mutationen legen nahe, dass es zur Ausbildung des Wiedemann-Rautenstrauch-Syndroms kommt, wenn zwei Varianten des POLR3A-Gens vorliegen, von denen eine die Proteinfunktion stark beeinträchtigt (eine Splice-Site- oder Stopp-Mutation) und die andere einen geringeren Effekt besitzt (häufig eine intronische Variante).
Progeroide Syndrome sind eine klinisch sehr heterogene Gruppe seltener Erkrankungen mit einem Erscheinungsbild der vorzeitigen Alterung. Als molekulare Ursachen konnten bislang unterschiedliche genetische Defekte ermittelt werden, die sich auf grundlegende Prozesse auswirken, wie Chromatinstruktur, Genomstabilität, die Regulierung der Transkription, Reparatur von DNA-Schädigungen, den Aufbau des Zellkerns und epigenetische Mechanismen. Das Institut für Humangenetik befasst sich intensiv mit der Erforschung dieser Erkrankungsgruppe. Die Arbeiten der aktuellen Studie wurden im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1002 der UMG („Modulatorische Einheiten bei Herzinsuffizienz“; Sprecher Prof. Dr. Gerd Hasenfuß) gefördert. Für betroffene Familien mit progeroiden Erkrankungen bietet das Institut für Humangenetik in Göttingen eine spezielle Sprechstunde an.
Specific combinations of biallelic POLR3A variants cause Wiedemann-Rautenstrauch syndrome
Paolacci S, Li Y, Agolini E, Bellacchio E, Arboleda-Bustos CE, Carrero D, Bertola D, Al-Gazali L, Alders M, Altmüller J, Arboleda G, Beleggia F, Bruselles A, Ciolfi A, Gillessen-Kaesbach G, Krieg T, Mohammed S, Müller C, Novelli A, Ortega J, Sandoval A, Velasco G, Yigit G, Arboleda H, Lopez-Otin C, Wollnik B*, Tartaglia M*, Hennekam RC* (*contributed equally).
J Med Genet. 2018 Oct 15; Epub ahead of print