Gen des Monats Juni: ERI1
Biallelische Missense-Varianten des ERI1-Gens führen zu einer Störung der Ribosomenbiogenese und verursachen so eine spezifische, bislang nicht beschriebene Form einer Knochen- und Knorpelgewebefehlbildung. Dies beschreibt eine internationale Studie unter Mitwirkung von Wissenschaftlern des Instituts für Humangenetik Göttingen. Die im American Journal of Human Genetics veröffentlichte Studie zeigt darüber hinaus erstmals für eine autosomal-rezessive Erkrankung, dass Missense-Varianten zu einem schwereren klinischen Krankheitsbild führen können als Null-Varianten desselben Gens. Während die Patient*innen mit den Missense-Varianten in ERI1 eine schwere Form der spondyloepimetaphysären Dysplasie (SEMD) aufwiesen, also einer Skeletterkrankung, die durch Fehlbildungen der Wirbelsäule und der langen Röhrenknochen charakterisiert ist, zeigten die Patient*innen mit biallelischen Null-Varianten eine milde geistige Behinderung sowie Finger- und Zehenfehlbildungen.
Das ERI1-Protein ist eine Exoribonuklease, d.h. ein Enzym, das verschiedene Ribonukleinsäuren abbaut. Bislang ist jedoch unklar, welche biologische Funktion ERI1 beim Menschen genau ausübt. In ihren funktionellen Analysen u.a. im Mausmodell und an induzierten pluripotenten Stammzellen, die aus Patientenzellen gewonnen und in Knorpelzellen differenziert wurden, fanden die Forscher*innen heraus, dass ERI1 die Entwicklung von Skelett und Knorpelgewebe beim Menschen mitreguliert. Störungen der Proteinfunktion und die daraus resultierenden Veränderungen im Stoffwechsel verschiedener Ribonukleinsäuren beeinträchtigen demnach die Synthese von Ribosomen. Je nach Art der genetischen Variante fehlt das Protein komplett (Null-Variante) oder es fällt eine bestimmte Proteinregion aus (Missense-Variante), was sich in unterschiedlicher Weise auf zelluläre Prozesse auswirkt und zu den unterschiedlichen klinischen Merkmalen der jeweiligen Patient*innen führt.
Guo L, Salian S, Xue JY, Rath N, Rousseau J, Kim H, Ehresmann S, Moosa S, Nakagawa N, Kuroda H, Clayton-Smith J, Wang J, Wang Z, Banka S, Jackson A, Zhang YM, Wei ZJ, Hüning I, Brunet T, Ohashi H, Thomas MF, Bupp C, Miyake N, Matsumoto N, Mendoza-Londono R, Costain G, Hahn G, Di Donato N, Yigit G, Yamada T, Nishimura G, Ansel KM, Wollnik B, Hrabě de Angelis M, Mégarbané A, Rosenfeld JA, Heissmeyer V, Ikegawa S, Campeau PM. Null and missense mutations of ERI1 cause a recessive phenotypic dichotomy in humans. Am J Hum Genet. 2023 Jun 20:S0002-9297(23)00202-1. doi: 10.1016/j.ajhg.2023.06.001. Epub ahead of print.