Gen des Monats November: CLCN6
Eine Punktmutation im CLCN6-Gen wurde erstmals als Ursache für eine schwere, lysosomal bedingte neurodegenerative Erkrankung identifiziert. Bei drei Kindern aus nicht miteinander verwandten Familien mit einer schweren Entwicklungsverzögerung, generalisierter Muskelhypotonie, Atemproblemen und neurodegenerativen Auffälligkeiten identifizierten Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Italien und den USA eine identische, de novo aufgetretene Missense-Variante im CLCN6-Gen. Das kodierte Protein ClC-6 gehört zur CLC-Familie der spannungsgesteuerten Chloridkanäle, die einen Austausch von negativ geladenen Chlorid-Ionen zwischen der Zelle und ihrer Umgebung ermöglichen und für verschiedene zellbiologische Prozesse, darunter die Ansäuerung intrazellulärer Vesikel, wichtig sind.
In funktionellen Analysen stellten die Forscher*innen fest, dass die Mutation im CLCN6-Gen zu einer Steigerung der ClC-6-Funktion führt. ClC-6 findet sich überwiegend auf späten Endosomen, die mit Lysosomen fusionieren. Diese Zellorganellen sorgen für den enzymatischen Abbau von Fremdstoffen oder vom Organismus nicht mehr benötigten Substanzen in der Zelle. Funktionsstörungen des endolysosomalen Systems sind häufig mit neurodegenerativen Erkrankungen assoziiert, da die sich nicht mehr teilenden Neurone besonders darauf angewiesen sind, dass Abbaustoffe aus der Zelle eliminiert werden. Wie die im American Journal of Human Genetics publizierte Studie zeigt, sorgt die Überaktivierung des ClC-6-Proteins für einen erhöhten Transport von Chlorid und Protonen in die betroffenen Zellen und zu einer beeinträchtigten Funktion von Lysosomen.
Polovitskaya MM, Barbini C, Martinelli D, … Jentsch TJ. A Recurrent Gain-of-Function Mutation in CLCN6, Encoding the ClC-6 Cl-/H+-Exchanger, Causes Early-Onset Neurodegeneration. Am J Hum Genet. 2020 Nov 13:S0002-9297(20)30401-8. doi: 10.1016/j.ajhg.2020.11.004. Epub ahead of print.