Genetische Ursache für ein unklares Krankheitsbild bei drei Kindern aufgedeckt
Göttinger WissenschaftlerInnen klären die genetische Ursache eines neu beschriebenen Krankheitsbildes mit verschiedenen Fehlbildungen und geistiger Behinderung. Ungewöhnlich ist, dass gleich drei Kinder aus der gleichen größeren Region betroffen sind. Über die Funktion des ermittelten Krankheitsgens, FBRSL1, war bislang wenig bekannt.
Eine federführend am Institut für Humangenetik der Universitätsmedizin Göttingen durchgeführte Studie deckte die genetische Ursache für eine neue und komplexe syndromale Erkrankung auf. Dabei untersuchten die WissenschaftlerInnen drei Kinder mit einem überlappenden Krankheitsbild, die u.a. eine schwere Entwicklungsverzögerung, Atemwegs- und Schluckprobleme, ein verzögertes Wachstum, Gelenkfehlstellungen, besondere Gesichtsmerkmale sowie weitere Fehlbildungen, etwa des Herzens, zeigten. Besonders prägnant waren bei zwei der Kinder auffällige Hautfalten, vor allem auf dem Rücken, die bei der Geburt vorhanden waren, sich dann aber im Laufe des ersten Lebensjahres zurückbildeten. Eine solche Kombination von Merkmalen war bislang noch nicht beschrieben worden. Um herauszufinden, wie diese Erkrankung verursacht wurde und so zu einer präzisen Diagnose für die betroffenen Familien zu gelangen, führten die ForscherInnen bei den Kindern eine Exomsequenzierung durch, bei der sie alle DNA-Abschnitte analysierten, die Informationen für den Bau von Proteinen enthalten. Mit Hilfe dieser modernen genetischen Analysemethode gelang es ihnen, eine gemeinsame genetische Ursache zu finden, denn alle drei Kinder trugen eine Veränderung im Gen FBRSL1, einem bisher wenig charakterisierten Gen.
„Wenn wir nach der ursächlichen genetischen Veränderung für eine unklare Erkrankung suchen, tun wir dies in der Regel ausgehend von einem einzelnen Patienten und seinen Eltern. Liefern unsere genetischen Analysen Anhaltspunkte für ein Kandidatengen, sind wir darauf angewiesen, weitere Patienten zu finden. Bei sehr seltenen Erkrankungen existieren häufig aber nur wenige Betroffene weltweit. Dass wir hier gleich drei betroffene Kinder haben, die nicht miteinander verwandt sind, aber aus der gleichen größeren Region stammen, ist ungewöhnlich und lässt vermuten, dass die Erkrankung doch häufiger vorkommt“ erklärt Frau Professor Silke Pauli, die mit ihrer Forschungsgruppe maßgeblich an der Untersuchung beteiligt war, deren Ergebnisse jetzt im Fachjournal Human Genetics erschienen sind.
Im nächsten Schritt untersuchten die Göttinger ForscherInnen in Kooperation mit Frau Professor Annette Borchers und ihrem Team an der Universität Marburg in verschiedenen Zell- und Tierexperimenten, wie sich die bei den Kindern gefundenen Genveränderungen auf zellulärer und molekularer Ebene auswirken. Die Untersuchungen lassen vermuten, dass eine Beeinträchtigung der Proteinfunktion zu Entwicklungsstörungen führt. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt arbeitet die Arbeitsgruppe von Frau Prof. Silke Pauli nun daran, genauere Einblicke in die Rolle von FBRSL1 an der Entstehung der Erkrankung zu gewinnen.
De novo mutations in FBRSL1 cause a novel recognizable malformation and intellectual disability syndrome. Ufartes R, Berger H, Till K, Salinas G, Sturm M, Altmüller J, Nürnberg P, Thiele H, Funke R, Apeshiotis N, Langen H, Wollnik B, Borchers A, Pauli S. Hum Genet. 2020 May 18. doi: 10.1007/s00439-020-02175-x. Online ahead of print.