Genetische Ursache für Mosaikerkrankung gefunden
Göttinger Forscher haben die genetische Ursache für ein außergewöhnliches Krankheitsbild ermittelt: Ihre Patientin, die sie gemeinsam mit Kollaborationspartnern der Universität Köln untersuchten, wies u.a. Pigmentierungsstörungen der Haut und Haare, Anomalien der Zähne und einen asymmetrischen Körperwuchs auf. Die Auffälligkeiten zeigten sich dabei aber nur auf einer Seite ihres Körpers. Beispielsweise waren die Finger und Zehen der rechten Seite kürzer als die der linken Seite, aber auch die rechte Niere war kleiner als die linke. Durch aufwendige genetische Untersuchungen gelang es den Wissenschaftlern am Institut für Humangenetik der Universitätsmedizin Göttingen, eine Veränderung im RHOA-Gen als ursächlichen genetischen Defekt auszumachen. Dabei spielte auch die Wahl des Untersuchungsmaterials eine entscheidende Rolle.
Kollaboration mit Forschungsgruppen aus USA, Japan und Australien
Da die Auffälligkeiten auf die rechte Körperhälfte der Patientin begrenzt waren, entschieden sich die Wissenschaftler, Proben aus den betroffenen Hautarealen der einen Körperhälfte und Mundschleimhautabstriche der nicht betroffenen Körperhälfte zu entnehmen. Die aus diesen Proben jeweils gewonnene DNA sequenzierten sie und verglichen dann die generierten Daten. Auf diese Weise ermittelten sie das RHOA-Gen als viel versprechenden Kandidaten. Im nächsten Schritt stellten sie über die Internetplatform „GeneMatcher“ Kontakt zu Forschungsgruppen aus den USA, Japan und Australien her, die PatientInnen mit einem übereinstimmenden Krankheitsbild betreuten und bei diesen ebenfalls eine Variante in RHOA gefunden hatten. Es zeigte sich, dass in allen vier PatientInnen die identische genetische Veränderung in RHOA vorlag, die zu diesem besonderen Erscheinungsbild führte. Mittels spezifischer Computerprogramme ließ sich vorhersagen, was die gefundene Variante auf molekularer Ebene bewirkt und dass sie das Protein in seiner Funktion, in der Zelle die Signalweiterleitung zu aktivieren, beeinträchtigt.
Das Genprodukt von RHOA gehört zu einer Familie von Proteinen, die als molekulare Schalter fungieren und an der Regulierung von wesentlichen Prozessen wie der Haftung, Wanderung und der Neubildung von Zellen mitwirken. RHOA kann die Bildung von Stressfasern und fokalen Adhäsionsstellen stimulieren und spielt eine Schlüsselrolle in der Regulierung des dynamischen Auf- und Abbaus des Aktinzytoskeletts in verschiedenen Geweben.
Wahl des Probenmaterials ist wesentlich
Die genetische Veränderung in den PatientInnen lag postzygotisch vor, war also erst nach der Befruchtung der Eizelle aufgetreten. Dadurch war sie nicht in allen Zellen des Körpers vorhanden und führte zur Ausbildung einer so genannten Mosaikerkrankung. Für Dr. Gökhan Yigit, der die Untersuchungen am Institut für Humangenetik in Göttingen durchführte, macht diese Studie deshalb auch deutlich, dass schon die Wahl der Proben für genetische Analysen künftig genauer überlegt sein sollte: „In den meisten Fällen erfolgen Genomuntersuchungen bislang an DNA, die aus Blutproben stammt. Unsere Studie zeigt jedoch, dass Blut nicht zwangsläufig das geeignete Untersuchungsmaterial darstellt. Dies sollte man künftig sicher bedenken, wenn man Studien plant, um ursächliche Genveränderungen zu identifizieren.“
Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachjournal Human Mutation veröffentlicht.
Yigit G, Saida K, DeMarzo D, … Wollnik B, Matsumoto N, Altmüller J. The recurrent postzygotic pathogenic variant p.Glu47Lys in RHOA causes a novel recognizable neuroectodermal phenotype. Hum Mutat. 2019 Dec 10. doi: 10.1002/humu.23964. [Epub ahead of print]