Molekulare Diagnose des sehr seltenen Proteus-Syndroms erweitert Krankheitsbild
Am Institut für Humangenetik der UMG konnte bei einer jungen Patientin der klinische Verdacht auf ein Proteus-Syndrom gestellt und mittels molekulargenetischer Analysen bestätigt werden. Die Patientin zeigte eine zunehmende Vorwölbung des Stirnbeinknochens aufgrund eines intraossären Lipoms (eines gutartigen Tumors des Fettgewebes) und wies zusätzlich eine leichte Entwicklungsverzögerung, eine einseitige Hörstörung, Schielen und ein Dermoid am Auge auf. Die DNA-Untersuchung an einer aus dem Lipom gewonnenen Gewebeprobe ergab, dass die Patientin eine spezifische, heterozygote Veränderung des AKT1-Gens trägt, die bereits als Ursache für das Proteus-Syndrom bekannt ist. Dabei handelt es sich um eine Mosaikvariante – das heißt, sie ist als spontane Neumutation erst nach der Befruchtung während der Entwicklung entstanden und somit nicht in allen Körperzellen vorhanden. Solche Mosaikvarianten lassen sich im Rahmen der molekularen Diagnostik schwerer finden. Der klinische Verdacht auf ein zugrundeliegendes Mosaik sowie die Wahl des geeigneten Untersuchungsmaterials sind zur Aufklärung solcher Fälle besonders wichtig, da der Nachweis anhand einer Blutprobe meist nicht gelingt.
Das Proteus-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung, die nur in Mosaikform vorkommt. Es zeigt ein sehr vielfältiges klinisches Erscheinungsbild, das davon abhängt, welche Zellen und Gewebe betroffen sind. Charakteristisch sind ein übermäßiges und asymmetrisches Wachstum einzelner Körperregionen sowie bestimmte Hautveränderungen. Wie die Wissenschaftler*innen im Fachjournal Clinical Genetics berichten, handelt es sich bei ihrer Patientin um den ersten Fall eines molekular gesicherten Proteus-Syndroms mit einem fortschreitenden intraossären Lipom des Stirnbeins ohne weitere spezifische Merkmale – insbesondere ohne wegweisende Hautauffälligkeiten. Die molekulare Diagnose könnte für die Patientin nun auch im Hinblick auf neue Therapieoptionen relevant sein, da es AKT1-hemmende Wirkstoffe gibt, die im Rahmen klinischer Studien bereits eingesetzt werden.
Schmidt J, Bremmer F, Brockmann K, Kaulfuß S, Wollnik B. Progressive frontal intraosseous lipoma: Detection of the mosaic AKT1 variant discloses Proteus syndrome. Clin Genet. 2022 Jun 7. doi: 10.1111/cge.14174. Epub ahead of print.